Fakten-Check zum Provisionsverbot
In einem Kommentar zeichnet der Vorstand des Votum Verbands, Martin Klein, den politischen Diskussionsstand bezüglich der EU-Kleinanlegerstrategie nach und entlarvt die dünne Datenlage der Befürworter eines Provisionsverbots.
Vorab: Derartige Anhörungen wie am Mittwoch im Bundestag bieten selten Überraschungen. Die Sachverständigen werden von den Fraktionen benannt und die an sie gerichteten Fragen vorher von den Parteivertretern mit ihnen abgestimmt. Da gibt es selten Raum für neue Argumente oder Einsichten.
Wie zu erwarten war, gaben die Grünen einem Wissenschaftler die Bühne, der sich ganz offensichtlich dem Ziel eines generellen Provisionsverbots verschrieben hat. Prof. Dr. Steffen Sebastian von dem Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung der Universität Regensburg erhielt so erneut eine Gelegenheit, um die höchst umstrittenen Ergebnisse seiner Studie zu verbreiten. Diesmal verstieg er sich zu der Behauptung, dass Länder mit Provisionsverbot angeblich eine Renditeverbesserung für die dortigen Anleger in Höhe von 2,0 Prozent erzielt hätten. Allein in Deutschland würde durch Provisionen ein Anlegerschaden von 100 Milliarden Euro im Jahr entstehen, was einem Betrag von 6000 Euro je Haushalte entspräche.
Falsche Zahlen
Diese Zahlen von Prof. Sebastian entpuppen sich bei einem Faktencheck schnell als falsch. Bei knapp 41 Mio. Haushalten in Deutschland entlarven sich 6000 pro Haushalt bereits eindeutig als Rechenfehler. Bei einer jährlichen Sparsumme von 248 Milliarden Euro ist ein Provisionsanteil von 40 Prozent (100 Mill.) ebenfalls gänzlich unplausibel, zumal leider nicht überwiegend in Anlageprodukten, sondern in Sichteinlagen wie etwa dem berühmten Sparbuch gespart wird. Trotzdem behauptete Herr Prof. Sebastian dennoch, dass bei einem marktwirtschaftlichen Ansatz immer ein Provisionsverbot befürwortet werden müsse.
Zutreffend wies der Vertreter des BVI daraufhin, dass eine Untersuchung der Ergebnisse der Universität Regensburg anhand realer und auch öffentlich zugänglicher Daten der europäischen Zentralbank und der englischen Statistikbehörde nicht plausibilisiert werden konnten. Es war tatsächlich keine statistisch signifikante Mehrrendite in Ländern mit Provisionsverbot (England, Niederlande) zu ermitteln, dafür aber eine sinkende Beteiligung von Anlegern am Kapitalmarkt nach Einführung des Provisionsverbots. Es zeugt von Chuzpe oder Tragikomik, dass Prof. Sebastian diese Untersuchung als in wissenschaftlicher Hinsicht nicht haltbar abqualifizierte.
Hierbei offenbarte er jedoch ungewollt ein Hauptproblem der Grundannahmen der EU-kommission. O-Ton:
„Also die Datengrundlage ist eben einfach nicht besonders gut und wenn man wirklich verstehen will, was auf den einzelnen Märkten passiert ist, wer davon genau profitiert und wer vielleicht auch nicht, der braucht einfach bessere Daten. Die Entscheidung, die die Kommission trifft, sollte eben nicht auf Behauptungen, die von beiden Seiten – muss man fairerweise sagen – in den Raum gestellt werden, beruhen, sondern auf tatsächlichen Fakten.“
Jeder Politiker, der zu einer Entscheidung über die RIS aufgefordert wird, sollte sich diese Erkenntnis vor Augen führen. Wenn Gesetzgebung nicht auf Fakten beruht, ist es eindeutig, dass sie nicht zu erfolgen hat! Das war dann doch ein klarer Erkenntnisgewinn.
Beratungslücke wird übersehen
Diese Haltung machte sich der Vertreter des Europäischen Verbraucherverbands zu eigen. Obwohl schon die britische Finanzmarktaufsicht FCA die unstreitig bestehende Beratungslücke für Kleinanlegern in Großbritannien thematisiert hatte, behauptete er, dass es diese nicht gäbe, vielmehr eine Beratungslücke in Deutschland festzustellen sei. Weil sich die Zahl der Berater in Großbritannien nach dem Provisionsverbot nicht verändert hätten, wäre eine Beratungslücke dort auszuschließen, während man in Deutschland ja nur 300 Honorarberater hätte und jeder provisionsbasiert Tätige ja nur verkaufe, aber nicht berate. Zu Recht nutzte Herr Dr. Carsten Brodesser MdB von der CDU im Anschluss die Möglichkeit, diesen Unsinn zu entlarven. Er wies daraufhin, dass er als Mitglied einer Delegation des Finanzausschusses selbst durch die FCA über die Beratungslücke bei Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen in Großbritannien informiert wurde und Beratung in Deutschland natürlich auch durch diejenigen angeboten wird, die hierfür transparent Provisionen erhalten.
Ähnlich realitätsverweigernd zeigte sich die Vertreterin der EU-Kommission Frau Dr. Liesenfeld. Die wiederholten Hinweise des Vertreters der ING-Diba auf die große Vielfalt von günstigen Anlagemöglichkeiten in Deutschland und die Tatsache, dass der Anteil von ETF-Anlegern in Deutschland mit 40% im europäischen Vergleich den Spitzenwert darstellen würde, verfolgte sie mit Kopfschütteln. Frei nach dem Motto, in einem Land mit Provisionen kann sowas gar nicht sein.
Fragliches Demokratieverständnis der EU-Kommission
Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. sprach ein grundsätzliches Problem der RIS an, nämlich die Tatsache, dass insbesondere bei den geplanten Produkt-Benchmarks die Darstellung in der Richtlinie auf Level 1 sehr abstrakt sei und man die Wirkung der RIS daher derzeit nicht beurteilen könne.
Auch Anja Käfer-Rohrbach vom GDV thematisierte die Problematik, dass sich die EU-Kommission eine carte blanche für weitere nachfolgende Verordnungen und technische Regulierungsstandards auf Level 2 und 3 mit heute unbekanntem Inhalt und Auswirkungen einholen wolle.
Diese berechtigten Bedenken, die auf dem auch im Grundgesetz verankerten Gebot fußen, dass wesentliche Maßnahmen in ein parlamentarisch verabschiedetes Gesetz gehören, stieß bei Frau Dr. Liesenfeld nicht auf Resonanz. Obwohl sie einräumte, dass die Kommission die beabsichtigten Methoden noch mit ESMA und EIOPA „ausfeilen“ würde, solle man doch darauf vertrauen, dass eine bloße Kostenfixierung nicht der Ansatz sei.
Bereits dieses fehlende Demokratieverständnis bei einer Vertreterin der EU-Kommission lässt einen mehr als nachdenklich zurück.
Die Detailfrage der Unabhängigkeit
Herr Dr. Eichele vom BVK sprach die Problematik an, dass der RIS-Entwurf einem Makler zukünftig die Entgegennahme von Courtagen bei der Vermittlung von Lebensversicherungen untersage, wenn er seine Tätigkeit als unabhängig bewirbt. Diese gelte es zu verändern, da Makler auch bei Erhalt von Courtagen unabhängige Sachwalter der Versicherungsnehmer blieben. Dem trat Lars Gatschke vom VZBV entgegen und verwies auf eine notwendige Einheitlichkeit der Verwendung von Begriffen. In der MiFID sei der Begriff unabhängig nur den Honorarberatern gestattet und dies gelte es auch für die IDD umzusetzen. Dieser Konflikt wird weiter schwelen.
Besser Abschaffung oder Absenkung der Kapitalertragssteuer
Prof. Philipp Bagus, ein deutscher Professor von der Universität Rey Juan Carlos (Madrid), der als Sachverständiger von der AfD benannt wurde und nach unseren Recherchen und frei vom Verdacht des Nationalismus, geschweige denn Faschismus ist, wies zutreffend daraufhin, dass man das gewünschte Ziel der Erhöhung der Kapitalmarktbeteiligung von Kleinanlegern am ehesten durch eine Abschaffung oder Absenkung der Kapitalertragssteuer erreichen würde. Der Votum Verband hat früh darauf hingewiesen, dass die USA mit ihrem 401k-Sparplan für Beschäftigte genau diesen Weg beschritten haben und dies ein maßgeblicher Grund für die höhere Kapitalmarktbeteiligung der US-Bürger ist. Die EU-Kommission hat dies nicht einmal in ihren Untersuchungen erwähnt.
Fazit
Die Diskussion zeigte keine Notwendigkeit für die Umsetzung der RIS. Sie belegte im Gegenteil, dass der Kommissionsentwurf auf einer gänzlich unzureichenden Datenbasis beruht. Die Vertreter von SPD und Grünen zeigten erwartbar klare Sympathien für ein Provisionsverbot. Hier ist weiterhin die Ansicht erkennbar, mit einem paternalistischen Ansatz die Anleger vor sich selbst beschützen zu müssen. Die Vertreterin der FDP Anja Schulz MdB unterschied sich hier deutlich von ihren Ampel-Kollegen und zeigte klare Zustimmung zu der Kritik der CDU/CSU am Entwurf der EU-Kommission. Alle Politiker sollten sich tatsächlich überlegen, ob das weitere intensive Drehen an der Bürokratieschraube wirklich dem Verbraucher dient und nicht vielmehr dafür verantwortlich ist, dass neue positive Geschäftsmodelle verhindert und wünschenswerte Angebotsvielfalt erstickt wird. Der Votum Verband wird sich in Europa weiterhin klar gegen die verfehlten Ansätze der RIS einbringen.
Martin Klein ist Geschäftsführer des Verbandes Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa Votum.