Zukunft gestalten, statt verwalten- Klare Weichenstellungen für eine zukunftsfähige Finanz- und Altersvorsorgepolitik

Denkanstöße von Martin Klein, Geschäftsführender Vorstand des VOTUM Verbandes
Aus der Wahl ergeben sich eindeutige Richtungsweisungen. Die verantwortlichen Politiker haben erkannt, dass ein Weiter so keine Alternative ist.
Die Tatsache, dass es mit einer Koalition aus zwei Parteien unter Führung der CDU zu einer schnellen Regierungsbildung kommen kann, sollte entschlossen genutzt werden. Durch kluges Handeln müssen Unternehmen gestärkt, die Investitionstätigkeit belebt und der Bevölkerung durch eine klare Perspektive, Optimismus zurückgebracht werden.
Hierbei muss ein Kleines-Karo in den Koalitionsverhandlungen vermieden werden, sondern ein entschiedenes Aufbruchsignal erfolgen. Kein Bürger wird die neue Regierung daran messen, dass im Koalitionsvertrag ein weiteres Barrierefreiheitsstärkungsgesetz oder vergleichbare Stilblüten angekündigt werden, vielmehr gilt es in den zentralen Politikfeldern klare Richtungsentscheidungen zu treffen.
Die für unsere Branche maßgeblichen Themen der Altersvorsorgepolitik sind im Wahlkampf zu kurz gekommen. Ihre Bedeutung für den sozialen Frieden werden jedoch bei jeder Bürgerbefragung deutlich. Der Rentenzuschuss ist zudem im Bundeshaushalt die größte Position. Es gilt daher auch hier, entschlossen die richtigen Weichen zu stellen. Bürokratieabbau und besonders die Verhinderung/Vermeidung zusätzlicher Bürokratie fördern die Wirtschaft ohne, dass es ein weiteres Sondervermögen bedarf.
Um einen echten Neustart zu ermöglichen, sollten die Parteien auch bei Personalentscheidungen neue Impulse setzen. Minister, die aus ihrer vorherigen Amtszeit noch ungelöste Altlasten mitbringen, eignen sich nicht für einen dynamischen Aufbruch.
Aus Sicht der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche ergeben sich fünf zentrale Handlungsfelder, in denen die neue Regierung jetzt entschlossen handeln muss.
1) Bürokratieabbau
Die Notwendigkeit zur Durchführung des Bürokratieabbaus sollte kein Lippenbekenntnis mehr bleiben. In jedem Bundesministerium muss eine Taskforce eingerichtet werden, die sich diesen Leitthema verpflichtet und die bestehenden Regularien nach dem Überflüssigen durchforstet. Hier muss es Anlaufstellen für Unternehmen geben, die es Ihnen ermöglicht, ihre konkrete Bürokratiebelastung greifbar darzustellen, mit dem Ziel, dass konkrete Maßnahmen zur Abhilfe ergriffen werden. Auch auf Länder- und Kommunalebene bedarf es qualifizierte Anlaufstellen zur Meldung übermäßiger Bürokratie.
Die Entlastung der Unternehmen muss sofort dadurch spürbar werden, dass zusätzlicher Bürokratieaufbau verhindert wird. Durch den Diskontinuitätsgrundsatz ist sichergestellt, dass keine Gesetzgebungsvorhaben der Ampel-Koalition weiterverfolgt werden muss. Bei jedem neuen Gesetzgebungsverfahren muss konsequent darauf geachtet werden, dass es nicht zu zusätzlichen Melde-, Informations- und Berichtspflichten kommt und Verfahrensabläufe vereinfacht werden.
Bei Gesetzen, die noch nicht in Kraft getreten sind, sollte unverzüglich geprüft werden, ob diese unnötigen Bürokratieaufwand beinhalten, der noch verhindert werden kann.
Gerade in der Finanzdienstleistungsbranche kommen inzwischen über 90 % der Regularien aus der EU. Die neue Bundesregierung muss konsequent darauf achten, dass nicht durch neue Omnibus-Richtlinien, EU-Verordnungen und Technische Regulierungsstandards weitere Bürokratiewellen über Deutschland hineinbrechen.
Wenn die neue EU-Kommission ihr Bekenntnis zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union ernst nimmt, muss ein klares Gesetzgebungs-Moratorium ausgesprochen werden. Neue Regulatorik darf nur verabschiedet werden, wenn sie alte ersetzt und reduziert. Wenn dieses nicht zur obersten Handlungsmaxime erklärt wird, kann ein Anwachsen von weiterer Bürokratie nie verhindert werden!
2) Reform der geförderten privaten Altersvorsorge
Die Reform der privaten geförderten Altersvorsorge (verkürzt Riester-Reform), hätte bereits in den letzten beiden zurückliegenden Legislaturperioden abgeschlossen werden müssen.
Die Erkenntnis, dass die nationalen und internationalen Kapitalmärkte ein geeigneter Ort sind, um für die Altersvorsorge Vermögen aufzubauen, ist nunmehr hoffentlich bei allen Parteien endgültig angekommen. Die Bürger, insbesondere die jungen Vorsorgesparer, haben längst die Finanzmärkte für sich entdeckt.
Es bedarf tatsächlich nicht nur einer Neufassung der rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern diese muss auch mit einem geschlossen geänderten Kommunikationsverhalten der politischen Verantwortungsträger verbunden werden.
Die Kapitalmärkte und die Beteiligung der Bürger an Wertpapier basierten Sparvorgängen muss mit einer bejahenden und positiven Grundhaltung verbunden sein.
Europa wird nur dann im Wettbewerb stärker, wenn Sparer zu Anlegern werden.
Die Politik kann nicht erwarten, dass Deutsche Sparer ihre niedrig verzinsten Einlagen in renditestarke Kapitalanlagen wandeln, wenn sie selbst in ihren Positionspapieren Kapitalmärkte als Ort des Unrechts und der Unsicherheit darstellen.
Mit dem Altersvorsorgedepotgesetz liegt ein Gesetzesentwurf vor, der mit breiter wissenschaftlicher Beteiligung in der Fokusgruppe private Altersvorsorge vorbereitet wurde. Der Gesetzesentwurf kann von der neuen Regierung als nahezu fertige Grundlage für die notwendigen Feinjustierungen genutzt werden. Es bedarf nur geringfügiger Anpassungen, wie etwa einer Verbesserung der Förderung von Familien und der Konzentration auf staatlich bereits überwachte Fonds- und Versicherungsprodukte, die dem Prinzip der Risikostreuung gerecht werden.
Die Belastung von Kapitalerträgen mit Sozialabgaben ist zu Recht auf breite Ablehnung gestoßen und es sollte durch die neue Bundesregierung ein klares Bekenntnis dazu erfolgen, dass eine solche Belastung von Altersvorsorge Sparern in jedem Fall unterbleibt.
3) Altersvorsorge für Selbstständige
Der Altersarmut muss auch bei Selbstständigen vorgebeugt werden. Eine ausnahmslose Hinzuziehung von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung ist jedoch keine Lösung. Für Soloselbständige und Firmengründer muss es die Wahlfreiheit zwischen privater- und gesetzlicher Vorsorge geben. Der Zwang zu einer unmittelbaren gesetzlichen Rentenversicherung hindert den Weg in die Selbstständigkeit und schwächt damit dauerhaft die Gründerkultur in Deutschland, welche für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung wichtige Impulse setzt und für Innovationen sorgt. Anstatt dem Zwang zur gesetzlichen Rentenversicherung gilt es vielmehr Selbstständige in die bestehenden Fördersystematik der privaten Altersvorsorge zu integrieren, um Ihnen eine variable und eigenverantwortliche Vorsorge für das Alter zu ermöglichen. Die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige kann daher erst dann der nächst Schritt sein, wenn die Reform der privat geförderten Altersvorsorge abgeschlossen ist.
4) Nachhaltige Sicherung der gesetzlichen Rentenversicherung
Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Reform der gesetzlichen Rentenversicherung kann von keiner Partei mehr geleugnet werden. Das bloße Festschreiben von Haltelinien ist keine Reform. Die anstehenden Maßnahmen zu einer grundsätzlichen Sanierung und Festigung der gesetzlichen Rente werden umfassend sein müssen und können mit der Flickschusterei der vergangenen Jahre nicht verglichen werden. Eine dysfunktionale gesetzliche Rentenversicherung, mit einerseits drohender Altersarmut und anderseits unbeantworteten Fragen zur Generationsgerechtigkeit der jungen Menschen, gefährdet den sozialen Frieden und den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Das Umlagesystem, welches sich auf Grund der demografischen Entwicklung nicht mehr trägt, muss zwingend durch eine Kapitaldeckung gestärkt werden. Moderne Rentensysteme wie die in den Niederlanden oder Schweden sehen dies bereits heute vor.
Es bedarf daher einer Reform die parteiübergreifend von Regierung und Opposition getragen wird, um zu verhindern, dass alle vier Jahre wieder das Thema neu verhandelt werden muss. Halbherzige Lösungen, die aus Angst davor getroffen werden, sonst an der Wahlurne abgestraft zu werden, gilt es zu vermeiden.
Die neue Bundesregierung sollte daher eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Wissenschaft und der maßgeblichen Interessenvertretungen auf dem Weg bringen, mit dem Ziel, eine Lösung zu erarbeiten, hinter der sich eine breite Mehrheit versammeln kann.
5) Finanzielle Bildung
Bildung ist der beste Verbraucherschutz. Der heutige Stand der Informations- und Dokumentationspflichten in Europa gewährleistet einem umfassenden Verbraucherschutz, der sich hinter keiner Regulierung in anderen Ländern verstecken muss. Dennoch ist die Investitionsquote der Bürger am Kapitalmarkt in den USA dreimal höher als in Deutschland. Wir werden die wünschenswerten höhere Investitionsquoten nicht dadurch erreichen, dass wir weitere Informations- und Kontrollpflichten einführen.
Ein grundlegendes Verständnis von Finanzen ermöglicht nachhaltigen Vermögensaufbau und trägt zur finanziellen Unabhängigkeit bei. Gerade in Zeiten demografischer Herausforderungen und steigender Unsicherheiten im Rentensystem ist finanzielle Entscheidungskompetenz unverzichtbar.
Die neue Bundesregierung sollte daher eine gezielte Initiative zur Finanzbildung auf den Weg bringen. Insbesondere in Schulen und der Erwachsenenbildung müssen praxisnahe Lehrinhalte, die auch Expertenwissen aus der Finanzbranche einbinden, verstärkt angeboten werden. Die Stärkung der Finanzbildung ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Deutschland in den Bereichen Geldanlage und Altersvorsorge zukunftsfähig bleibt.