Aufbruchsstimmung in Europa - FECIF-Editorial von Martin Klein

Aufbruchsstimmung in Europa - FECIF-Editorial von Martin Klein

Es liegt Aufbruchsstimmung in der Luft. Europaweit. Auch wenn sich alle 27 EU-Mitgliedstaaten gerade mitten in der finalen Phase der Pandemie-Bekämpfung befinden und die Infektionszahlen noch kein endgültiges Signal der Entspannung erlauben, so versprechen steigende Impfquoten endlich einen zeitnahen Lichtblick, nach über einem Jahr Ausnahmezustand.

Die Pandemie war für viele von uns ein ‚World’s first‘ – und spätestens die aktuelle Krise hat wie ein helles Spotlight aufgezeigt, wo Europa seit längerem ins Stocken gerät. Während Selbstständige, kleine und große Unternehmen binnen weniger Tagen auf flächendeckendes Homeoffice umgestellt, Masken für ihre Belegschaft organisiert sowie Schichtmodelle eingeführt, Schnelltests und Plexiglasscheiben besorgt haben, zeigten die staatlichen Einrichtungen – Deutschland vorneweg – eine besorgniserregende Trägheit und Inkompetenz im Krisenmanagement.

Die Liste ist lang. Die digitalisierte Verwaltung ist nicht mehr als ein schlecht erzählter Witz. Die Digitalisierung im Bildungsbereich – vor allem bei der Schulbildung unserer Kinder, der kommenden Generation – ist nicht viel besser. Genehmigungsverfahren laufen langsam und träge. Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker haben größtenteils einen politischen Horizont gezeigt, der maximal bis zu den Landesgrenzen reichte. Im Herzen Europas liegend hat gerade Deutschland schmerzhaft erfahren, was es für die grenznahen Regionen heißt, wenn der Schlagbaum wieder fällt.

Nicht zuletzt die Impfstoff-Beschaffung hat unser gemeinsames Dilemma auf eine tragische Art und Weise aufgezeigt: Eine im Grundsatz lobenswerte Idee – die, des Zusammenhaltens und gemeinsamen Handelns – ist in der Umsetzung gnadenlos gescheitert. Während Großbritannien aufgrund von Impfquoten von über 50 Prozent Pubs und Lokale wieder öffnet, beschließt Deutschland bundesweite Ausgangssperren und weitere Lockdown-Maßnahmen. Europa hat sich auf der Weltbühne für alle sichtbar bis auf die Knochen blamiert.

Was tun? Entscheidend ist nun, dass wir daraus lernen – dass die Politik daraus lernt. In Berlin, in Straßburg, in Brüssel. Die Post-Corona-Zeit muss nun effektiv genutzt werden, um ein deutliches Signal in Richtung Endbürokratisierung zu senden. Absichtserklärungen reichen nicht mehr aus, jetzt muss umgesetzt werden!

Wie soll das gehen? Was hat die Politik im vergangenen Jahrzehnt verlernt? Die Antwort ist einfach: Die Bürger in den Mittelpunkt jeglichen Handelns zu stellen. Die Bürger Europas müssen überzeugte Kunden der EU sein. Überzeugte Kunden, die im Idealfall noch aufgrund ihrer guten Erfahrungen mit der Staatengemeinschaft eine ‚5-Sterne-Bewertung‘ dalassen. Auch wenn es so mancher Berufspolitiker nicht begreifen mag: Die Bürger Europas sind keine Bittsteller, die sich beim Staat ihre Rechte erbetteln müssen. Sie sind die Stakeholder Europas. Stakeholder, die es zufrieden zu stellen gilt. Mit einer schlagkräftigen EU, mit einer digitalisierten Verwaltung, mit möglichst schlanken Prozessen.

Ja, eine Staatengemeinschaft kann nicht geleitet werden wie ein international agierender Konzern. Das mag stimmen. Das darf aber nicht heißen, dass die Staatengemeinschaft vergisst, worum es im Kern ihres Handelns eigentlich geht. Es geht um 450.000.000 Menschen, die es von dieser einmaligen Chance Europäische Union zu überzeugen gilt.

Es liegt Aufbruchsstimmung in der Luft. Zeit, dass die Politik diese Aufbruchsstimmung nutzt. Zeit, dass die Politik endlich handelt. Zeit für eine EU 2.0!

Rechtsanwalt Martin Klein ist geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V. An die VOTUM-Mitgliedsunternehmen sind 100.000 unabhängige Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler angebunden. Die Mitarbeiter und Kooperationspartner unserer Mitglieder beraten über 11 Millionen Verbraucher zu Fragen der Absicherung im Alter, der Vermögensbildung und des maßgeschneiderten Versicherungsschutzes.


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