Wahlprüfsteine zur Europawahl (I): 14 Fragen an CDU und CSU
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
in wenigen Tagen, am 26. Mai 2019, findet die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Für unsere Branche sind die Entwicklungen auf europäischer Ebene von eminenter Bedeutung, dienen sie doch häufig als Impulsgeber für nachgelagerte Gesetzgebungs- und Regulierungsverfahren im nationalen Rahmen. IDD und MiFID II, sowie die daraus hervorgegangenen Verordnungen VersVermV und FinVermV, sollen hier nur als zwei der prominenteren, jüngeren Beispiele genannt sein.
Durch unser Engagement im europäischen Dachverband FECIF sind wir laufend über bereits initiierte und neu in der Planung befindliche Gesetzesinitiativen informiert und teilen diese Information in regelmäßigen Abständen mit unseren Mitgliedern. Anlässlich der anstehenden Europawahl möchten wir den Blick auf die europäische Politik nun aber noch weiter schärfen und sind daher mit konkreten Fragen zur finanzmarktpolitischen Ausrichtung an sechs Parteien herangetreten. CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke und AfD erhielten von uns identische Fragenkataloge zu den Themenkomplexen Regulatorische Dynamik, Geldanlage und Beratung, Verbraucherschutz, Fin- und InsurTechs, sowie Neue Produktkategorien (vgl. Anlage).
Das Ergebnis dieser Befragung möchten wir nun mit Ihnen teilen, beginnend mit den Positionen von CDU und CSU. Wie Sie den Antworten entnehmen können, sprechen sich beide Parteien für eine weitere Regulierung der Finanzmärkte aus, möchten die Maßnahmen aber auf den Ausbau der Kapitalmarktunion und die Überwachung von Kreditinstituten beschränken. Weitere Eingriffe in das Geschäftsmodell des freien Finanzvertriebs stellen für die Union keine Priorität dar. Darüber hinaus machen sich CDU/CSU für die vorläufige Aussetzung gesetzgeberischer Vorstöße zugunsten einer Phase der Evaluierung und Folgenabschätzung stark. Ein klares Konzept zur raschen Beendigung der Niedrigzinsphase scheint nicht zu bestehen – hier setzt man stattdessen auf langfristige Strukturreformen in den europäischen Volkswirtschaften.
Lesen Sie hier Antworten im Detail:
1. Für welche konkreten Themen macht sich Ihre Partei im Bereich der Finanzmarktregulierung stark?
Antwort: CDU und CSU setzen sich für eine einfache, transparente und zielgenaue Regulierung der Finanzmärkte ein. Unser Ziel ist es, die Bankenunion und die Kapitalmarktunion unter Stabilitätsaspekten weiterzuentwickeln. Dabei müssen bestehende Risiken im Bankensystem zunächst zwingend reduziert werden. Insbesondere sollen Staatsanleihen nicht mehr als risikolos gelten und von Banken – genauso wie andere Anlageformen – mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Bei allen Änderungen auf europäischer Ebene müssen die Besonderheiten unseres bewährten Drei-Säulen-Systems aus Privatbanken, öffentlich-rechtlichen Banken und Genossenschaftsbanken erhalten bleiben. Kleinere, nicht international tätige Sparkassen, Genossenschaftsbanken und private Banken sollen wegen ihrer verminderten systemischen Relevanz und Komplexität von belastenden Regelungen ausgeschlossen oder zumindest in nur geringerem Maße erfasst werden. Insofern befürworten wir das Konzept einer „Small Banking Box“.
2. Der europäische Finanzmarkt hat in den vergangenen Jahren eine Phase intensiver Regulierungsaktivität erlebt (vgl. IDD, MiFID, u.a.). Wie stehen Sie einer Unterbrechung der regulatorischen Aktivität zugunsten einer Phase der Evaluierung und Folgenabschätzung gegenüber?
3. Wie hoch beurteilen Sie die Gefahr eines Zurückfallens der europäischen Finanzindustrie im weltweiten Vergleich aufgrund zu hoher bürokratischer Vorschriften?
Gemeinsame Antwort auf die Fragen 2 und 3: In den letzten Jahren wurden zahlreiche Regulierungsmaßnahmen umgesetzt. Zum Teil wurde dabei Neuland betreten, sodass die Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen und die Wechselwirkungen zwischen den Maßnahmen noch nicht vollends überblickt werden konnten. Daher ist es wichtig, dass die beschlossenen Maßnahmen dahingehend überprüft werden, ob das mit der Regulierung verfolgte Ziel tatsächlich erreicht wurde. Jüngst hat das Forschungszentrum „Sustainable Architecture for Finance in Europe“ im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen ein entsprechendes Gutachten vorgelegt. Nun gilt es, die Empfehlungen aufzugreifen und auf Umsetzung zu prüfen. Hierzu verweisen wir auch auf die Antwort auf Frage 1. Wichtig ist, die Regulierungsziele mit so wenig Bürokratie wie möglich zu erreichen – insbesondere im Meldewesen. Denn jeder Euro, der zur Erfüllung bürokratischer Aufgaben aufgewendet werden muss, fehlt bei der Stärkung der Widerstandskraft des Finanzsektors.
4. Im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld sehen sich Anlegende mit zunehmend niedrigen Kapitalrenditen konfrontiert, was sich insbesondere im Bereich der privaten Altersvorsorge negativ bemerkbar macht. Welche Wege möchte ihre Partei beschreiten, um die Niedrigzinsphase in Europa zu überwinden?
Antwort: Grundsätzlich bekennen uns zur Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rahmen ihres Mandats. Denn nur eine starke Zentralbank, die nicht von der Politik beeinflusst wird, kann eine wirkungsvolle Geldpolitik mit dem Ziel der Geldwertstabilität sicherstellen. Gleichwohl darf die EZB den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik nicht verpassen. Für den Euroraum war ein niedriges Zinsniveau notwendig, um der Wirtschaft Impulse zu geben und deflationären Tendenzen entgegenzuwirken. Eine zu lockere Geldpolitik ist jedoch kein Ersatz für Strukturanpassungen, die in einigen Euro-Staaten notwendig sind, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Werden die Leitzinsen zu lange niedrig gehalten, besteht die Gefahr, dass Reformen in Europa verschleppt werden. Die dauerhafte Stabilisierung der Eurozone kann nur gelingen, wenn die Euro-Staaten zu solider Haushaltspolitik zurückkehren und ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gezielt stärken. Dafür werden sich CDU und CSU weiter einsetzen.
5. Wie positionieren Sie sich zum Thema Vertriebsvergütung in der Versicherungs-, Anlage- und Kreditvermittlung? Soll die Dienstleistung künftig auf Basis eines Honorars durch die Kunden vergütet werden, oder streben Sie eine Beibehaltung des gängigen Nebeneinanders der beiden Vergütungswege Honorar/Provision an? Stellt ein gemischtes Vergütungsmodell für Sie eine weitere Option dar?
Antwort: Klar ist: Verbraucher sollen bestmöglich beraten werden. Die Festlegung auf eine Beratungsform würde aber zu weniger Beratung führen. Daher wollen CDU und CSU den Verbrauchern die Wahl überlassen, auf welche Beratungsform sie zurückgreifen wollen. So hat die unionsgeführte Bundesregierung die Honorarberatung als Alternative zur provisionsgestützten Beratung etabliert.
6. Wie beurteilt Ihre Partei den gegenwärtigen Zustand des Verbraucherschutzes auf europäischer Ebene. Befinden sich die Verbraucherschutzstandards auf einem ausreichend hohen Niveau, oder ist ein Ausbau notwendig?
7. In Abhängigkeit zu Frage 6: In welchen konkreten Bereichen des finanziellen Verbraucherschutzes sehen Sie Handlungsbedarf?
Gemeinsame Antwort auf die Fragen 6 und 7: CDU und CSU wollen die Verbraucher bei ihren finanziellen Entscheidungen besser unterstützen. Auch auf dem Finanzmarkt setzen wir auf finanzielle Bildung, Transparenz bei Finanzprodukten, auf einen fairen Wettbewerb und eine starke Aufsicht. Hierzu haben wir in den vergangenen Jahren Maßnahmen auf den Weg gebracht. So haben wir bspw. mit der Finanzmarktrichtlinie MiFID II den Verbraucherschutz bei Wertpapieranlagen gestärkt. Wir werden die Wirkung dieser Maßnahmen evaluieren.
8. Wie positioniert sich Ihre Partei zum Thema Fin/InsurTechs?
9. Handelt es sich bei Startups im Finanzsektor Ihrer Meinung nach um einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor?
10. Planen Sie, den Markteintritt neuer Akteure zu erleichtern (bspw. durch regulatorische sandboxes, Subventionen, u.ä.)?
Gemeinsame Antwort auf die Fragen 8, 9 und 10: CDU und CSU wollen, dass alle von neuen Angeboten und Technologien innovativer Unternehmen im Finanzsektor, den sogenannten FinTechs, profitieren können Dafür sind geeignete Rahmenbedingungen erforderlich. Ein zentraler Aspekt ist für uns dabei die Sicherheit der Verbraucherdaten. Wir sprechen uns grundsätzlich für eine gleiche Regulierung gleichartiger Angebote aus (level playing field). Dabei gilt unser Grundsatz: So wenig Regulierung wie möglich, so viel wie nötig.
11. Wie positionieren Sie sich zum EU-Plan Nachhaltiges Wachstum?
12. Messen Sie nachhaltigen Investmentprodukten signifikante Marktchancen zu?
Gemeinsame Antwort auf die Fragen 11 und 12: CDU und CSU begrüßen den Trend hin zu nachhaltigen Anlageprodukten. Grundsätzlich sollte die Finanzwirtschaft einen Rahmen für nachhaltige Finanzprodukte definieren. Der Gesetzgeber sollte allenfalls Eckpunkte festlegen. Dabei ist es wichtig, dass die Stabilität des Finanzsystems durch die geplanten Maßnahmen zur Förderung eines nachhaltigen Finanzsystems nicht beeinträchtigt wird. Die Regeln für aufsichtsrechtliche Kapitalanforderungen und die Eigenkapitalquote müssen gerade bei langfristigen, nachhaltigen Finanzierungen Bestand haben und so gestaltet werden, dass volkswirtschaftliche Fehlallokationen und die Bildung von „Klumpenrisiken“ vermieden werden.
Anleger dürfen bei ihren Anlageentscheidungen nicht bevormundet werden. Klassifizierungen können eine Entscheidungshilfe für den Anleger sein. Dabei müssen klare und transparente Regeln für alle Markteilnehmer implementiert werden. Diese müssen nicht zwingend von der EU verordnet werden; die Finanzwirtschaft ist selber sehr gut in der Lage, eigene Nachhaltigkeitsregeln und -labels zu etablieren. Wichtig ist, dass Taxonomie, Administration von Kategorien und Transparenz- und Offenlegungsregeln nicht zu übermäßigem Aufwand für Wirtschaft, Verwaltung und Aufsicht führen und erst gar nicht für den Investor. Eine Verpflichtung, nachhaltige Finanzprodukte anbieten zu müssen, lehnen wir ab.
13. Wie positionieren Sie sich zum Pan-European Personal Pension Product?
14. Messen Sie europaweit einheitlichen Altersvorsorgeprodukten signifikante Marktchancen zu?
Gemeinsame Antwort auf die Fragen 13 und 14: Für CDU und CSU steht fest: Wer sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, sollte dafür nicht bestraft werden. Bei der Altersvorsorge dürfen keine Nachteile entstehen, wenn im Erwerbsleben in unterschiedlichen Ländern der EU gearbeitet worden ist. Von einem freiwilligen, europaweiten und grenzüberschreitenden Produkt der privaten Altersvorsorge als Ergänzung zu den bereits auf nationaler Ebene bestehenden Angeboten konnten viele Menschen profitieren, die innerhalb der EU ihren Wohnsitz wechseln. Insofern stehen CDU und CSU solchen Konzepten offen gegenüber.