Wahlprüfsteine zur Europawahl (VI): 14 Fragen an die FDP
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
zum Abschluss unserer Serie zur anstehenden Europawahl publizieren wir heute die Antworten der FDP auf die von uns angefragten Wahlprüfsteine. Wie zu erwarten positioniert sich die Partei mit gewohnt marktwirtschaftlichen Inhalten: Den Stand des finanziellen Verbraucherschutzes in der EU schätzt man als ausreichend und robust ein, weshalb von weiteren Verschärfungen abgesehen werden sollte. Auch der provisionsbasierten Beratung gegenüber ist man weiterhin aufgeschlossen und plädiert für ein Nebeneinander unterschiedlicher Vergütungswege. Die MiFID-Reformen möchte die FDP auf den Prüfstand stellen, um langfristig den Compliance-Aufwand für Unternehmen zu reduzieren.
Lesen Sie hier die Antworten im Detail:
1. Für welche konkreten Themen macht sich Ihre Partei im Bereich der Finanzmarktregulierung stark?
Antwort: Ein beherrschendes Thema ist natürlich der Brexit – im Zuge dessen wollen wir den deutschen und europäischen Finanzmarkt stärken und für die Zukunft konkurrenzfähig aufstellen. Das betrifft insbesondere den Bereich der Banken- und Finanzdienstleisterregulierung, wo wir Verbesserungspotential erkennen, beispielsweise bei Berichtspflichten an die Aufsicht. Auch das Umfeld für Fintechs und Insurtechs wollen wir verbessern. Zudem wollen wir bei der Frage nach Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen Fortschritte erzielen.
2. Der europäische Finanzmarkt hat in den vergangenen Jahren eine Phase intensiver Regulierungsaktivität erlebt (vgl. IDD, MiFID, u.a.). Wie stehen Sie einer Unterbrechung der regulatorischen Aktivität zugunsten einer Phase der Evaluierung und Folgenabschätzung gegenüber?
Antwort: Besonders im Bereich von MiFID I und II sollte eine ergebnisoffene Evaluation stattfinden. Die Umsetzung ist für die Branche mit erheblichem Aufwand verbunden und gehört daher auf den Prüfstand.
3. Wie hoch beurteilen Sie die Gefahr eines Zurückfallens der europäischen Finanzindustrie im weltweiten Vergleich aufgrund zu hoher bürokratischer Vorschriften?
Antwort: Bei der Regulierung der europäischen Finanzwirtschaft sollte mit Augenmaß vorgegangen werden anstatt mit ideologischen Scheuklappen: Nicht mehr oder weniger Regulierung, sondern bessere Regulierung muss das Ziel sein. Da die europäischen Unternehmen durch das Niedrigzinsumfeld bereits besonders belastet sind, sollte vermieden werden, ihnen durch schlechte Regulierung zusätzliche Nachteile gegenüber der Finanzindustrie anderer Regionen zu verschaffen.
4. Im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld sehen sich Anlegende mit zunehmend niedrigen Kapitalrenditen konfrontiert, was sich insbesondere im Bereich der privaten Altersvorsorge negativ bemerkbar macht. Welche Wege möchte ihre Partei beschreiten, um die Niedrigzinsphase in Europa zu überwinden?
Antwort: Die den Leitzins bestimmende EZB ist unabhängig und keiner politischen Weisung unterworfen. Wir Freie Demokraten wollen das Ende der Nullzinsen erreichen, indem das zugrundeliegende Problem – die anhaltende wirtschaftliche Schwäche einiger Eurozonen-Mitglieder – bekämpft wird. Das gelingt am besten und nachhaltigsten durch echte Reformen und disziplinierte Haushaltspolitik. Wir unterstützen zudem die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Fonds, der private Investitionen verstärkt. Dieser Investitionsfonds soll die Heterogenität, auch innerhalb der Eurozone, abbauen und die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozonenstaaten stärken. Einen Eurozonenhaushalt, der Anreize für kurzfristige Konjunkturprogramme setzt, statt grundlegende Strukturreformen zu begünstigen, lehnen wir ab.
5. Wie positionieren Sie sich zum Thema Vertriebsvergütung in der Versicherungs-, Anlage- und Kreditvermittlung? Soll die Dienstleistung künftig auf Basis eines Honorars durch die Kunden vergütet werden, oder streben Sie eine Beibehaltung des gängigen Nebeneinanders der beiden Vergütungswege Honorar/Provision an? Stellt ein gemischtes Vergütungsmodell für Sie eine weitere Option dar?
Antwort: Ein Nebeneinander von Honorar- und Provisionsberatung bietet den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit, sich frei für das von ihnen präferierte Modell zu entscheiden. Deswegen sollte der Status Quo beibehalten werden.
6. Wie beurteilt Ihre Partei den gegenwärtigen Zustand des Verbraucherschutzes auf europäischer Ebene. Befinden sich die Verbraucherschutzstandards auf einem ausreichend hohen Niveau, oder ist ein Ausbau notwendig?
Antwort: Der Verbraucherschutz bei der Anlageberatung in Europa ist zwar nach den Erfahrungen der Vergangenheit zu Recht verbessert worden. Für weitere Verschärfungen gibt es jedoch keinen Anlass. Im Gegenteil verschrecken beispielsweise Aufzeichnungspflichten oder seitenlange Informationsblätter erkennbar potentielle Anleger, was sich beispielsweise negativ auf die private Altersvorsorge auswirkt. Mit Blick auf solche Fälle sollten die aktuellen Standards auf den Prüfstand gestellt werden.
7. In Abhängigkeit zu Frage 6: In welchen konkreten Bereichen des finanziellen Verbraucherschutzes sehen Sie Handlungsbedarf?
Antwort: Bereiche, in denen der Verbraucherschutz von den Verbraucherinnen und Verbrauchern selbst nicht als hilfreich gesehen wird, müssen dringend reformiert werden.
8. Wie positioniert sich Ihre Partei zum Thema Fin/InsurTechs?
Antwort: Innovative Ideen und disruptive Technologien treiben unser Wirtschaftsleben voran. Wir wollen, dass Deutschland und Europa vorne bleiben. Deswegen sollte ein attraktives Umfeld für neue Marktteilnehmer geschaffen werden.
9. Handelt es sich bei Startups im Finanzsektor Ihrer Meinung nach um einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor?
Antwort: Auch wenn nicht jedes Startup Erfolg haben wird, ist das Potential von Startups im Finanzsektor riesig. Es gibt genügend aktuelle Beispiele, wie Startups die Branche prägen. Die Politik sollte diese Entwicklung unterstützen.
10. Planen Sie, den Markteintritt neuer Akteure zu erleichtern (bspw. durch regulatorische sandboxes, Subventionen, u.ä.)?
Antwort: Regulatorische Sandboxes sind eine interessante Möglichkeit zur Unterstützung neuer Akteure, die noch nicht die Relevanz großer Unternehmen haben und auch nicht deren Möglichkeiten, mit Regulierung angemessen umzugehen. Es gilt jedoch gleichermaßen, das Level Playing Field nicht zuungunsten von etablierten Marktteilnehmern einseitig zu beeinflussen. So wichtig die Bereitstellung angemessener Regulierung ist, darf die Hilfe der Politik nicht in einseitige Subventionierung bestimmter Branchen oder Unternehmen ausarten.
11. Wie positionieren Sie sich zum EU-Plan Nachhaltiges Wachstum?
Antwort: Im Finanzbereich möchte die Kommission eine Taxonomie für Sustainable Finance aufstellen. Dieses hochkomplexe Ansinnen darf auf keinen Fall dazu führen, dass am Ende durch eine Art Negativliste Stranded Assets entstehen. Im Markt gibt es schon etablierte Nachhaltigkeitslabel. Ob eine EU-Taxonomie eine einheitliche und bessere Definition von Nachhaltigkeit liefern kann, bezweifeln wir.
12. Messen Sie nachhaltigen Investmentprodukten signifikante Marktchancen zu?
Antwort: Wenngleich sie zurzeit nur eine geringe Verbreitung haben, ist eine zunehmende Dynamik und Nachfrage nach nachhaltigen Investmentprodukten zu erkennen. Für uns ist es wichtig, dass sich Sustainable Finance zu den gleichen Bedingungen wie herkömmliche Produkte an den Handelsplätzen behaupten muss.
13. Wie positionieren Sie sich zum Pan-European Personal Pension Product?
Antwort: Der Vorschlag ist begrüßenswert, denn insbesondere die deutschen Haushalte verlassen sich zu sehr auf Produkte mit niedrigen Zinsen und sollten stattdessen stärker über den Kapitalmarkt privat vorsorgen. Im Sinne der Vermögensbildung, der Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion sowie im Lichte einer verbesserungsfähigen gesetzlichen Rente in Deutschland kann PEPP die bestehenden Systeme ergänzen.
14. Messen Sie europaweit einheitlichen Altersvorsorgeprodukten signifikante Marktchancen zu?
Antwort: Die Antwort auf diese Frage werden die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher geben.